Gemeinsame / Individuelle Lernwege

Um die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen (Heterogenität) der Kinder angemessen aufgreifen zu können und das Interesse der Kinder am Schreiben durch sinnvolle Schreibanlässe zu stärken, ist es erforderlich, den Unterricht in der (Grund-)Schule immer weiterzuentwickeln. Eine Möglichkeit ist ein an Sachthemen orientierter Klassenunterricht (Projekte, Werkstätten), der durch individuelle Übungsphasen und Übungen ergänzt wird.

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Der Tag in der Schule beinhaltet für die Kinder

  • Phasen gemeinsamen Lebens und Erlebens (z. B. Pausen, Mahlzeiten),
  • Phasen gemeinsamen Lernens (Unterricht, in dem die Lerngruppe/Klasse sich mit einem gemeinsamen Thema beschäftigt, z. B. in Projekten),
  • Phasen, in denen sie auf individuellen Lernwegen ihre Kompetenzen weiterentwickeln.

Genau an dieser Stelle zeigt das Konzept der Rechtschreibwerkstatt prototypisch auf, wie ein differenzierter Unterricht gelingen kann. Die Unterteilung des gesamten Unterrichts in Phasen gemeinsamen Lernens (z. B. Projekte, Werkstätten) und Phasen individueller Lernwege (z. B. Übungsstunden) hat den Vorteil, dass die Kinder einerseits ihre unterschiedlichsten Kompetenzen in die Lerngruppe einbringen, von- und miteinander lernen können (Heterogenität als Bereicherung der gemeinsamen Lernwege) und hier die Begründung dafür erfahren, warum der Erwerb bestimmter Kompetenzen sinnvoll und notwendig ist. Die Phasen individueller Lernwege stellen andererseits sicher, dass die Kinder ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um ihre für die Gestaltung der gemeinsamen Lernwege benötigten individuellen Lernkompetenzen zu entwickeln sowie um Techniken und grundlegende Lernmethoden einzuüben.

Das hier dargestellte Modell eines Unterrichts mit Phasen gemeinsamen Lernens und individuellen Übungsphasen ist als Ziel für die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht in Richtung einer inklusiven Schule zu verstehen. Das Modell zeigt, dass Unterricht in heterogenen Lerngruppen gemeinsame Lernwege bereichert, aber auch individuelle Lernwege erfordert. Es ist somit ein Modell sowohl für jahrgangsübergreifende Klassen als auch für Klassen, in denen Kinder mit besonderen Begabungen, aus unterschiedlichen Kulturen oder sozialen Umfeldern, mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden.

In so einem Unterricht üben die Kinder in den individualisierten Lernphasen jene Fähigkeiten und Fertigkeiten ein, die für den Erwerb von Wissen bzw. die Arbeit an Sachthemen benötigt werden (lesen, schreiben, rechnen, rechtschreiben, lesbar schreiben, gestalten, darstellen usw.). Umgekehrt wird in den Phasen gemeinsamen Lernens (Arbeit in Projekten und Werkstätten) deutlich, welche Kompetenzen erforderlich sind und weiterentwickelt werden müssen.

Wenn die Kinder z. B. bei der Arbeit an einem Sachthema eine Wandzeitung oder eine Präsentation erstellen, einen Text verfassen oder sich selbst Notizen machen möchten, müssen sie etwas aufschreiben und zwar so, dass es von ihnen selbst und von anderen gelesen und verstanden werden kann: lesbar und orthografisch weitgehend (angemessen) korrekt. Die Kinder erfahren somit die Begründung dafür, dass es sinnvoll ist, zu üben, lesbar und richtig zu schreiben. Das Nachdenken über die Sprache, über die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Sprachen und über Rechtschreibung kann darüber hinaus auch selbst Gegenstand eines Sachthemas sein (Projekt, Werkstatt).