Die Vorerfahrungen der Kinder erfassen

Das wichtigste Instrument zur Erfassung der verschiedenen Kompetenzen, die Kinder beim Eintritt in die Schule mitbringen, ist die Beobachtung. Erfahrene Lehrer(innen), die schon mehrfach eine Klasse 1 unterrichtet haben, werden sich hier weitgehend auf ihre Intuition verlassen. Um den Überblick nicht zu verlieren, ist es hilfreich, die Beobachtungen auf einem Protokollbogen für alle Kinder festzuhalten. Solche Beobachtungsbögen werden von vielen Verlagen angeboten. Allerdings sind sie oft so differenziert, dass sie sich für größere Klassen als wenig praktikabel erweisen. In der Regel genügt es, in einigen Stichworten festzuhalten, wo besondere Stärken bei einem Kind beobachtet werden können und in welchen Bereichen ein Kind besondere Unterstützung benötigen wird. Dies gilt für grundlegende Lernbedingungen:

  • Sozialverhalten
  • Arbeitsverhalten
  • Wahrnehmung
  • Motorik
  • Sprache

Darüber hinaus ist es sinnvoll, Vorerfahrungen in den schulischen Lernfeldern festzuhalten (Lesen, Schreiben, Rechnen,  Fremdsprachen, Musik usw.).

Für den Lese- und Schreiblernprozess sind folgende Aspekte bedeutsam:

● Sozialverhalten:
Kann das Kind sich in der sozialen Gruppe orientieren und nimmt es von anderen Kindern Anregungen und Hilfen an?
Diese Kompetenz kann beobachtet werden, wenn die Kinder mit konkreten Übungen beginnen, und vor allem dann, wenn ein Kind mit einem Partner zusammenarbeiten soll oder eine Aufgabe nicht lösen kann und Hilfe von anderen Kindern annehmen muss.

● Arbeitsverhalten:
Lässt das Kind sich auf Arbeitsanweisungen der Lehrerin oder des Lehrers ein und ist es in der Lage, selbstständig zu üben? Wie lange kann das Kind eine Übung konzentriert durchführen und wie gut kann es dabei Reize ausblenden (visuell und auditiv)?
Auch diese Kompetenz kann beobachtet werden, wenn mit konkreten Übungen begonnen wird. Einerseits müssen die meisten Kinder eine direkt auf ein Lernziel ausgerichtete Lern- und Arbeitshaltung erst noch entwickeln. Andererseits ist dies keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern vornehmlich auf ein Fach und die Lehrerin bzw. den Lehrer bezogen.

Für das Schreibenlernen sind vor allem vier Bereiche von zentraler Bedeutung:

1) Visuelle Wahrnehmung:
Kann das Kind Zeichen und Buchstaben voneinander unterscheiden?
Diese Vorerfahrung lässt sich mit einem einfachen Prüfbogen zur visuellen Unterscheidung von Zeichen erfassen, der schon kurz nach der Einschulung eingesetzt werden kann (Prüfbogen: Zeichen unterscheiden).

2) Sprachkompetenz:
Die Sprachkompetenz wird meist schon lange vor der Einschulung oder bei den Schulanmeldungen erfasst. Neben der Muttersprache des Kindes und seinem Sprachverständnis sowie seinem aktiven und passiven Wortschatz ist für das Lesen- und Schreibenlernen vor allem auch von Bedeutung, wie deutlich das Kind spricht bzw. sprechen kann. Hierzu genügen in der Regel Beobachtungen in alltäglichen Sprechsituationen, wie zum Beispiel im morgendlichen Stuhlkreis.

3) Auditive Analyse:
Kann das Kind einzelne Laute aus einem Wort heraushören?
Diese Vorerfahrung lässt sich mit einem einfachen Prüfbogen zur auditiven Analyse erfassen, der ebenfalls schon kurz nach der Einschulung eingesetzt werden kann (Prüfbogen: Laute heraushören).

4) Fein- und Graphomotorik:
Hier geht es vor allem darum, zu beobachten, wie geschickt ein Kind mit dem Schreibwerkzeug umgeht und ob es einen Stift im „Dreifingergriff“ halten kann.

Das Festhalten der Kompetenzen der Kinder ist die eine Seite. Hieraus die richtigen Schlüsse für die Unterstützung der einzelnen Kinder zu ziehen, ist die andere.