Sich beraten und Lernziele festlegen (Lernentwicklungstabelle)

In den Unterrichtsphasen, in denen die Kinder ihre individuellen Lernwege verfolgen, kommt der Beratung eine Schlüsselrolle zu: Das Kind reflektiert gemeinsam mit der Lehrerin oder dem Lehrer den bisherigen Lernweg und legt das nächste Lernziel fest. Die Lehrerin oder der Lehrer stellt hierzu geeignete Methoden, Übungen und Materialien zur Verfügung, mit denen das Lernziel erreicht werden kann. Dieser dialogische Prozess stärkt die Ziel- und Erfolgsorientierung der Kinder.

Kreislauf_gross

Als Instrument für die Beratung wird eine Lernentwicklungstabelle eingesetzt. In ihr wird die Lernentwicklung eines Kindes für den Bereich Rechtschreiben über eine längere Zeit hinweg festgehalten (z. B. die gesamte Grundschulzeit).

Die Lernentwicklungstabelle soll

  • die Kompetenzentwicklung eines Kindes kontinuierlich erfassen (Was hast du bisher gelernt? Was kannst du schon?),
  • die Beratung mit dem Kind strukturieren (In welchem Bereich möchtest du weiterarbeiten? Was ist dein nächster Lernschritt?).

Das Beratungsergebnis (Wenn du dieses Ziel erreichen willst, sind folgende Übungen und Materialien hilfreich.) wird in einem Protokollheft festgehalten (z. B. Rechtschreibpass).

Die Lernentwicklungstabelle kann darüber hinaus

  • Grundlage für die Unterrichtsplanung sein (individueller Lern- oder Förderplan für jedes Kind),
  • die Information der Eltern erleichtern (Wo steht das Kind im Vergleich zu den Kompetenzerwartungen?),
  • die (schulinterne) Entwicklung einer vergleichbaren, angemessenen Leistungsbewertung unterstützen.

Die Kinder benötigen für die Bearbeitung eines Lernbereichs oft mehrere Monate. Um sich kleinere, in überschaubaren Zeiträumen erreichbare Lernziele setzen zu können, nutzen Kinder und Lehrer(innen) gemeinsam die Lernentwicklungstabelle. Hier werden die grob erfassten Lernbereiche genauer aufgeschlüsselt (s. Abbildung). Dadurch werden die Lernfortschritte schneller sichtbar. Dies ist sowohl für die Beratung mit den Kindern als auch für die Information der Eltern wichtig.

Aufschlüsselung eines Lernbereichs in kleinere Lernziele:


Beispielabbildung

Lernentwicklungstabelle (Ausschnitt) – Beratung und Festlegung des nächsten Lernzieles:


Beispielabbildung

Kinder haben eine größere Motivation, sich für das Erreichen eines Lernzieles anzustrengen, wenn sie es sich selbst gesetzt haben. Es gibt jedoch auch Kinder, denen eine eigene Entscheidung zu treffen schwerfällt, die schon lange Zeit Misserfolgserfahrung haben oder nicht die kognitiven Voraussetzungen dafür mitbringen, die Inhalte verschiedener Lernbereiche zu überblicken. Damit auch diese Kinder von Anfang an ein Lernziel als ihr Lernziel erleben, ist es wichtig, die vorgeschlagenen Lernziele einzugrenzen und so kleinschrittig zu wählen, dass in relativ kurzer Zeit ein Erfolgserlebnis möglich ist.

Ob sich ein negatives oder ein positives Selbstkonzept („Das schaffe ich nie!“ oder „Das kann ich schon!“) bezüglich des Lernens oder des Faches entwickelt, hängt weitgehend davon ab, wie erfolgreich Kinder in dem Fach lernen. Eine ständige Überforderung führt zu einer Misserfolgsorientierung, einem geringen Selbstkonzept. Entscheidend ist hier, den Kindern Erfolge zu vermitteln, die sie sich selbst zuschreiben können und mit denen sie sich in ihrem Üben als selbstwirksam erleben.

Dafür ist es erforderlich, dass sie möglichst früh damit beginnen, das eigene Üben zu protokollieren. Spätestens wenn das Abschreiben in der Klasse eingeübt wird, sollte auch der Umgang mit den Protokollbögen für den Rechtschreibpass eingeführt werden.

Wichtig ist, die durchgeführten Übungen jeweils so festzuhalten, dass sich später schnell nachvollziehen lässt, wie und womit die Lernerträge jeweils zustande gekommen sind. Mit den allgemeinen wie auch übungsspezifischen Protokollbögen für den Rechtschreibpass haben Lehrer(innen) und Kinder dann einen schnellen Überblick über die durchgeführten Übungen und verwendeten Materialien. Dies ist wichtig für jede individuelle Beratungssituation.

  • Exkurs
    Beratung im Schulalltag
    so kann ein konkreter Beratungsprozess aussehen:

    Max bearbeitet als Lernziel im Lernbereich LB die Schreibung von sp und st am Wortanfang. Ein „+“ im entsprechenden Feld seiner Lernentwicklungstabelle zeigt an, dass er mit den Übungen in diesem Bereich begonnen hat.
    Nach einigen Übungsstunden überprüft die Lehrerin, wie sicher Max in seinem ausgewählten Übungsbereich geworden ist. Sie diktiert ihm aus dem Modellwortschatz einige Wörter mit dem Laut [∫] (z. B. Tasche, schwarz, sparen, Stein, …), deren Schreibung sie anschließend gemeinsam mit Max kontrolliert. Da er beim Schreiben deutlich mitgesprochen und bis auf ein Wort alle Wörter richtig geschrieben hat, hat Max sein Lernziel erreicht. Daher trägt die Lehrerin im entsprechenden Feld seiner Lernentwicklungstabelle ein zweites „+“ ein („++“).
    Die Lehrerin bespricht mit Max auch, wie er sein Lernziel erreicht hat: Im Rechtschreibpass hat er vor allem Übungen mit dem Modellwortschatz und den Wörterlisten eingetragen. Da Max hiermit erfolgreich war, ermutigt sie ihn, diese Übungsformen beizubehalten.
    Gemeinsam mit der Lehrerin wählt Max als nächstes Lernziel das Silben trennende h im Lernbereich LD aus. Die Lehrerin trägt nun wieder im entsprechenden Feld seiner Lernentwicklungstabelle ein „+“ ein und bespricht mit Max, worauf es bei den Übungen im Lernbereich LD ankommt und mit welchen Materialien er üben kann. Der Kreislauf aus Methodenkompetenz, selbstständigem Üben, Kompetenzentwicklung und Beratung beginnt von Neuem.

Die Protokollbögen für den Rechtschreibpass sind so angelegt, dass die Kinder selbstständig und individuell die verschiedenen Übungen zu allen Lernbereichen darauf festhalten können. Die Einträge auf den Protokollbögen bilden eine Grundlage für die Entwicklung von Methodenkompetenz  und können zeigen, mit welchen Methoden die Kinder jeweils effizient lernen.

Zum Bereich Lernentwicklung und Beratung gibt es das ausführliche Anleitungsheft „Lernentwicklung und Beratung. Anleitung zur Durchführung“.RRA-BL03-Z

Neben einer ausführlichen Beschreibung des Beratungsprozesses mit dem Weg zum gemeinsamen Festlegen von Lernzielen und dem Einsatz von Lernentwicklungstabellen wird in zwei Exkursen einerseits auf grundlegende Aspekte des Lernens und andererseits auf den Bereich „Unterricht organisieren“ explizit eingegangen.

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